Suizidales Verhalten stellt ein großes gesellschaftliches und gesundheitspolitisches Problem dar. Ein Suizid betrifft viele Menschen. Von jedem Suizid sind nach Schätzungen der WHO durchschnittlich deutlich mehr als sechs Personen betroffen. Nicht nur Angehörige, auch Freunde, Kollegen, Mitschüler etc. können in einem Maße betroffen sein, dass sie auch selbst Unterstützung benötigen. Der Trauerprozess nach einem Suizid kann erschwert sein und mehrere Jahre dauern. Für Hinterbliebene ist es wichtig, dass über Suizide offen gesprochen werden kann, ohne dass sie befürchten müssen, ausgegrenzt zu werden. Nicht vergessen werden dürfen auch die Folgen für weitere nahestehende Menschen (z.B. Arbeitskollegen, Mitschüler), in Ausübung ihres Berufes mit Suiziden konfrontierte Menschen (z.B. Ärzte, Therapeuten, Angehörige von Pflegeberufen, Polizisten, Feuerwehrangehörige u.v.a.m.) sowie Zeugen suizidaler Handlungen.
Jedes Jahr nehmen sich in Deutschland ungefähr 10.000 Menschen das Leben
Etwa 70% davon sind Männer. Das Suizidrisiko steigt bei Frauen und Männern mit dem Lebensalter. Das durchschnittliche Lebensalter eines durch Suizid Verstorbenen liegt bei ca. 57 Jahren – mit steigender Tendenz. In Deutschland sterben ungefähr genauso viele Menschen durch Suizid wie durch Verkehrsunfälle, AIDS, illegale Drogen und Gewalttaten zusammen.
Die Anzahl der Suizidversuche kann auf mindestens 100.000 im Jahr geschätzt werden
Suizidversuche werden besonders häufig von Frauen und in jüngerem Lebensalter unternommen und können oft als „Hilferufe“ interpretiert werden. Sie müssen jedoch immer ernst genommen werden, da sie einen Hinweis auf das Vorhandensein ernstzunehmender psychischer Probleme sind. Ungefähr jeder Dritte unternimmt nach dem ersten einen weiteren Suizidversuch und jeder Zehnte stirbt später durch Suizid. Eine Unterscheidung zwischen „ernsthaften“ und „nicht ernsthaften“ Suizidversuchen wird in der Suizidforschung mehrheitlich nicht mehr getroffen.
Der Anteil psychiatrischer Erkrankungen an Suiziden ist methodisch nur sehr schwierig zu erheben. Die vorliegenden Studienergebnisse unterscheiden sich erheblich: je nach Studie wurden 15% bis 95% der durch Suizid Verstorbenen als depressiv beurteilt. Auch ist zu berücksichtigen, dass aus Suizidgedanken nicht zwangsläufig auf eine psychische Erkrankung zu schließen ist.
Weitere Risikofaktoren
Das Suizidrisiko ist im Vergleich mit dem Durchschnitt der Gesamtbevölkerung erhöht bei: Männern, Menschen im höheren Lebensalter, Menschen mit gleichgeschlechtlicher sexueller Orientierung und jungen Frauen mit Migrationshintergrund. Traumatisch erlebte Ereignisse wie der Verlust wichtiger Bezugspersonen, schwerere Erkrankungen, Veränderungen von Lebensumständen, wie Verlust des Arbeitsplatzes oder Untersuchungshaft bzw. schon die Angst vor solchen Ereignissen können bei vulnerablen Menschen Suizidgedanken auslösen. Jedoch ist das Vorhandensein auch mehrerer Risikofaktoren kein Indikator für Suizidgefährdung und keiner dieser Faktoren erklärt einen Suizid alleine.
Betroffenen Menschen fällt es - nicht selten auch während der Behandlung einer Erkrankung, wie einer Depression - schwer über ihre Suizidgedanken mit ihrem Arzt oder Therapeuten zu sprechen. Aus Studien ist bekannt, das Menschen vor einem vollendeten Suizid viel häufiger als üblich einen Arzt aufgesucht haben, die Suizidgefährdung aber nicht erkannt wurde. Häufig besteht die Angst darin, nicht ernst genommen zu werden, soziale Kontakte zu verlieren, als psychisch krank bezeichnet zu werden und vor Autonomieverlust durch zwangsweise Behandlung. Außerdem haben nicht wenige die Vorstellung, dass sie niemand verstehen und niemand ihnen helfen könne. Diese Ängste und Vorstellungen ergeben sich aus der psychischen Befindlichkeit der Betroffenen.
Suizidprävention ist möglich!
Suizidalität ist ein komplexes Phänomen und Suizidprävention deshalb auch eine vielschichtige Aufgabe. Eines der wirksamsten Mittel ist - soweit überhaupt möglich - die Einschränkung der Verfügbarkeit von Suizidmethoden (z.B. Waffen, Medikamente, Chemikalien, Absicherung von Bauwerken). Weitere Mittel der Suizidprävention sind u.a. die Verfügbarkeit niedrigschwelliger Behandlungsangebote, die Fortbildung in den medizinischen und psychosozialen Berufen sowie die Förderung der Früherkennung von Suizidgefährdung und von psychischen Erkrankungen und nicht zuletzt ein gesellschaftliches Klima, in welchem die Suizidproblematik wahr- und ernst genommen wird.
Man kann suizidgefährdeten Menschen helfen, wenn der oder die Betroffene sich auf eine Behandlung einlässt
Nicht selten ist es allerdings eine große Herausforderung, Suizidgefährdete davon zu überzeugen, dass sie professionelle Hilfe benötigen. Je nach Problemlage und in Übereinkunft mit den Betroffenen kann die Behandlung ein breites ambulantes (und manchmal auch stationäres) Behandlungsangebot umfassen. Auch bei Vorliegen einer psychiatrischen Erkrankung und einer pharmakologischen Behandlung wird bei Suizidgefährdung immer das Angebot psychotherapeutischer Gespräche als bedeutsam angesehen.
Die Rolle der Medien in der Suizidprävention
Aus vielen Untersuchungen ist bekannt, dass die mediale Darstellung von Suiziden weitere Suizide zur Folge haben kann. Dies gilt besonders auch für die Verbreitung von evtl. bisher weitgehend unbekannten oder „exotischen“ Suizidmethoden. In den Tagen nach dem Suizid von Robert Enke hat es einen deutlichen Anstieg von Suiziden nach dem gleichen Muster gegeben, nach Datenlage sogar auch noch einmal nach der Gedenkfeier. Das bedeutet nicht, dass über Suizide und die Suizidproblematik nicht berichtet werden sollte. Entscheidend ist die Art der Berichterstattung.
Dazu gibt es spezielle Empfehlungen, die online abrufbar sind.