Wir müssen über die Haftbefehl-Doku “Babo” sprechen.
Warum wir darüber sprechen: Medien prägen, wie wir über Suizid denken. Sie beeinflussen, wie sicher oder riskant bestimmte Darstellungen wirken können – gerade bei Menschen, die selbst belastet sind. Wie über Suizid berichtet wird, macht einen Unterschied. Und die Netflix-Doku „Babo“ über Haftbefehl ist aktuell ein Beispiel, über das viele sprechen.
In der Netflix-Doku „Babo“ über Haftbefehl gibt es am Anfang eine Inhaltswarnung – allerdings mit dem Begriff „Selbstmord“. Die Doku zeigt den Suizid seines Vaters sowie dessen Suizidversuch und macht das Thema Suizid zu einem zentralen Erzählelement.
Detaillierte Schilderungen von Suiziden oder Suizidversuchen bergen das Risiko, den Werther-Effekt auszulösen. Gleichzeitig können sie den Papageno-Effekt mindern, der durch hoffnungsvolle und ressourcenorientierte Darstellungen entsteht.
Werther-Effekt
Nachahmungseffekt: Detaillierte, dramatisierte Suiziddarstellungen können das Risiko erhöhen, dass vulnerable Menschen Suizidhandlungen eher in Erwägung ziehen oder imitieren.
Papageno-Effekt
Schutzwirkung: Medien, die Auswege, Bewältigung und Hilfsangebote zeigen, können Hoffnung stärken und suizidpräventiv wirken.
Ein Risiko für Nachahmungen erhöht sich demnach durch die Darstellungen: Je stärker das Identifikationspotenzial mit der dargestellten Person, desto höher kann dieses Risiko sein –
besonders, wenn die Suizidmethode explizit gezeigt wird.
Einordnung der Dokumentation
Die Doku nutzt klassische Narrative: das „leidende Genie“ und die rettende Partnerin.
Wichtig: familiäre Vorbelastung führt nicht zwangsläufig zu Suizid.
Diese Einordnung fehlt – und es entsteht leicht der Eindruck, dass Suizid quasi vererbbar ist oder man dem ausgeliefert wäre.
Auch die Nennung von Hilfsangeboten wirkt präventiv. Am Anfang der Doku wird zwar eine Hilfswebseite erwähnt, auf welcher zwei Hilfsangebote zu finden sind, jedoch ohne erneute Betonung am Ende und mit dem Begriff „Selbstmord“. Dieser Begriff stigmatisiert und verletzt.
Medien und Worte gestalten Realität
Wir begrüßen die Aufmerksamkeit für das Thema und möchten anregen, wie eine suizidpräventive Darstellung künftig gelingen kann:
- Neutralere Sprache ohne Stigmatisierung
- Mehr Fokus auf Trauma und psychische Erkrankung
- Fachliche Einordnung durch Fachpersonen
- Hilfsangebote konkret und wiederholt nennen
Und: die expliziten Suizidszenen sollten aus unserer Sicht entfernt werden.
Weitere Informationen für Medienschaffende und Hilfsangebote für Betroffene, Angehörige
und Hinterbliebene gibt es hier auf unserer Website.