„Suizidologie im Spiegel der Zeit“ – DGS-Herbsttagung blickt auf Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Suizidprävention
Am Nachmittag des 11. Oktober 2025 schloss Prof. Dr. Ute Lewitzka offiziell die 53. Herbsttagung der DGS. Zwei intensive und inhaltsreiche Tage lagen hinter den zahlreichen Teilnehmenden, die sich an diesen Tagen im Bezirkskrankenhaus Bayreuth zusammenfanden, um sich fortzubilden, auszutauschen und zu vernetzen.
Nach 1999 fand die Herbsttagung zum zweiten Mal in Bayreuth statt – dieses Mal unter dem Titel „Suizidologie im Spiegel der Zeit“. Das Team um Prof. Dr. Thomas Kallert, stellte hierfür ein vielseitiges Programm zusammen, das einen weiten thematischen Bogen spannte: Es setzte setting-spezifische Schwerpunkte, widmete sich Fragen der Psychiatrieberichterstattung und aktuellen Risikofaktoren für suizidales Verhalten und griff zugleich historische, ethische und gesellschaftliche Perspektiven auf. Suizidprävention wurde im Licht aktueller Forschungsergebnisse sowie unter Berücksichtigung ihrer Grenzen und zukünftigen Herausforderungen beleuchtet.
Neben Vorträgen und Workshops bereicherten Podiumsdiskussionen und ein Videogrußwort von Judith Gerlach, Bayerische Staatsministerin für Gesundheit, Pflege und Prävention, den fachlichen Austausch. Forschende, Betroffene, Angehörige, Praktiker*innen sowie Vertreter*innen aus Politik und Gesellschaft brachten ihre Perspektiven ein und machten die Herbsttagung zu einem lebendigen Beispiel der interdisziplinären und vernetzten Arbeit der deutschsprachigen Suizidprävention und der DGS.
Für die hervorragende Organisation, die herzliche Gastfreundschaft und die rundum gelungene Durchführung danken wir dem Bezirkskrankenhaus Bayreuth und insbesondere Prof. Dr. Thomas Kallert und seinem Team sehr herzlich.
Ein Meilenstein: Launch der neuen DGS-Webseite
Ein besonderer Höhepunkt der Tagung war der feierliche Launch der neuen DGS-Webseite. Nach einem einjährigen Entwicklungsprozess wurde der neue Online-Auftritt dem voll besetzten Vortragssaal präsentiert. Damit ist ein wichtiger Meilenstein in der Weiterentwicklung und Professionalisierung der DGS erreicht. Die neue Webseite verdeutlicht den Anspruch der DGS, als moderner Verein ihre Rolle als Dachgesellschaft für Suizidologie und Suizidprävention auch künftig engagiert wahrzunehmen und gesellschaftlich relevante Themen aktiv mitzugestalten. Seien Sie herzlich eingeladen, die neue Webseite zu entdecken. Über Rückmeldungen und Anregungen freut sich die DGS sehr.
Höhepunkt der Tagung: Verleihung des Hans-Rost-Preises
Traditionell bildet die feierliche Verleihung des Hans-Rost-Preises einen emotionalen und fachlichen Höhepunkt der DGS-Herbsttagung. Mit dieser Auszeichnung würdigt die DGS Personen, die sich in besonderer Weise um die Suizidprävention verdient gemacht haben, durch herausragende wissenschaftliche Beiträge oder außergewöhnliches praktisches Engagement. In diesem Jahr durfte die DGS zwei Preisträger und eine Preisträgerin in zwei Kategorien ehren.
Prof. Dr. Arno Drinkmann – Hans-Rost-Preis für das Lebenswerk
Mit dem Hans-Rost-Preis 2025 ehrte die DGS Prof. Dr. Arno Drinkmann für sein herausragendes Lebenswerk in der Suizidprävention. Sein Wirken verbindet wissenschaftliche Expertise mit großem persönlichem Engagement.
Seit über drei Jahrzehnten prägt er als Professor und Psychotherapeut die Ausbildung künftiger Fachkräfte und hat mit zahlreichen Publikationen die psychosoziale Forschung und Praxis bereichert. Besonders verdient gemacht hat sich Arno Drinkmann in der Suizidprävention älterer Menschen: Als Sprecher der Arbeitsgruppe „Alte Menschen“ im Nationalen Suizidpräventionsprogramm (NaSPro) und Vorstandsmitglied der Deutschen Akademie für Suizidprävention setzt er sich für einen respektvollen, würdevollen Blick auf das Alter ein.
Auch abseits der Wissenschaft engagiert er sich als Hospizbegleiter und vernetzt Fachkräfte unterschiedlicher Professionen in der Suizidprävention. Mit seiner Haltung des genauen Hinsehens und seinem Mut, über das Schweigen zu brechen, ist Arno Drinkmann seit vielen Jahren eine prägende Stimme der deutschen Suizidprävention.
Dr. Uwe Sperling – Hans-Rost-Preis für das Lebenswerk
Mit dem Hans-Rost-Preis 2025 würdigte die DGS Dr. Uwe Sperling für sein jahrzehntelanges Engagement in der Suizidprävention. Sein Wirken vereint wissenschaftliche Fundierung, ethisches Denken und gelebte Menschlichkeit.
Als promovierter Theologe und studierter Gerontologe hat sich Dr. Uwe Sperling insbesondere der Suizidprävention älterer Menschen gewidmet. In seiner Rolle als langjähriger Sprecher der Arbeitsgruppe „Alte Menschen“ im Nationalen Suizidpräventionsprogramm (NaSPro) und als langjähriges Vorstandsmitglied der DGS hat er maßgeblich dazu beigetragen, die Themen Altern, Würde und Lebenssinn in der Fachöffentlichkeit zu verankern.
Durch seine Arbeit im Klinikum Mannheim, seine Publikationen und sein Engagement in verschiedenen Fachgesellschaften hat er Strukturen und Diskurse mitgestaltet, die älteren Menschen Aufmerksamkeit und Zuwendung ermöglichen. Mit seiner Haltung, Altern nicht als Defizit, sondern als wertvollen Teil des Lebens zu begreifen, prägt Uwe Sperling die Suizidprävention in Deutschland nachhaltig.
Kim Hertinger – Hans-Rost-Preis in der Kategorie „Präventive Medienbeiträge“
Der dritte Hans-Rost-Preis wurde an Kim Hertinger in der Kategorie „Präventive Medienbeiträge“ verliehen. Diese Kategorie würdigt Medienschaffende, die mit ihrer Arbeit zur Entstigmatisierung psychischer Krisen und Suizidalität beitragen und Menschen in belastenden Lebenssituationen Orientierung und Hoffnung geben.
Mit dem Social Spot „Reden kostet nichts, Schweigen schon“ gelang ihr eine berührende und zugleich verantwortungsvolle Darstellung, die zeigt, wie gelebtes suizidpräventives Engagement im Alltag aussehen kann. Der Spot entstand 2023 in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Medienpsychologie der Universität Würzburg und dem Nationalen Suizidpräventionsprogramm und wird seither in Seminaren, an Universitäten, auf Social Media und bei Fachtagungen zur Aufklärung, Sensibilisierung und als Positivbeispiel suizidpräventiver Berichterstattung eingesetzt. Seine Botschaft ist ebenso einfach wie kraftvoll: „Reden kostet nichts“ – eine Erinnerung daran, wie wichtig es ist, hinzusehen, zuzuhören und das Gespräch zu suchen. Denn Suizidprävention beginnt nicht erst in der Krise, sondern bereits mit dem Zuhören, dem Fragen, dem Ernstnehmen im Alltag.
Gemeinsam für ein Suizidpräventionsgesetz
Die 53. Herbsttagung der DGS zeigte eindrucksvoll, wie lebendig, vielfältig und engagiert Suizidprävention in Deutschland gestaltet und gelebt wird. Zwischen fachlicher Tiefe, persönlicher Begegnung und feierlicher Würdigung wurde einmal mehr deutlich: Die DGS ist und bleibt ein zentraler Ort für Austausch, Weiterentwicklung und gemeinsames Engagement für das Leben.
Zugleich wurde im Rahmen der Herbsttagung abermals spürbar, wie bedroht die Existenz vieler psychosozialer Hilfsangebote für Menschen in psychischen Krisen derzeit ist. Trotz aller Fachlichkeit, Leidenschaft und Kooperation steht die Suizidprävention in Deutschland weiterhin auf wackligen Beinen. Es braucht ein klares politisches und finanzielles Bekenntnis in Form eines Suizidpräventionsgesetzes, um die vielfältigen suizidpräventiven Bemühungen in Deutschland nachhaltig und langfristig zu sichern.